Babou – oder wie man Herzen bricht

Bericht über den vermittelten Nothund Babou

Babou
Babou suchte ein neues Zuhause (2011)

Im Februar 2012 fand der 6-jährige Akita-Rüde Babou bei Familie Lanners ein neues Zuhause.

im Juni 2012

Einmal Akita …

Dezember 2011 – einer dieser nasskalten Wintertage zwischen Weihnachten und Neujahr stimmte mich nicht unbedingt fröhlich – ich hatte in den letzten Tagen Lebensinventur gemacht, und der Verlust vieler geliebter Menschen hielt mich in einer tiefen Trauer gefangen.

Babou mit HerrchenIch hatte mir über all die Jahre einen ziemlich dicken Panzer zugelegt. Mein Herz war erhärtet.

Den Impuls Hundehalter zu werden gab mir ein extra für Weihnachten aufbereitetes Video über Huskys. So suchte ich übers Internet Luxemburgs Tierheime nach einem neuen Begleiter ab. Schon das Foto von Babou auf der Internetseite des Tierasyls begeisterte mich, allerdings hatte ich überhaupt keine Ahnung von Hunderassen und wusste schon gar nicht was ein Akita sei.

Ich fuhr hin, sprach mit niemanden und traf Babou hinter dem Gitterdraht seines Freigeheges sitzend, wir schauten uns während knapp einer Minute stumm an. Sofort trat ich den Heimweg an, im Auto kullerten mir die Tränen. Hatte mich doch dieser „blöde“ Kerl mit seinen ach so sanften, japanischen Augen total aufgeweicht.

Nach Absprache zuhause wurde ich ein paar Tage später im Tierheim vorstellig und bat die Verantwortlichen Babou gelegentlich ausführen zu dürfen. Mir wurde erklärt für diesen Hund müsste man Akitaerfahrung haben.

Peng …
Ich hatte noch nie im Leben mit Hunden zu tun gehabt, geschweige denn mit einem speziellen Rassenhund.

Trotzdem, der Versuch wurde gestartet. Babous Tierpfleger befreite mit einiger Mühe dieses Wölfchen aus seinem Freigehege, leinte unverzüglich an und die zwei schossen ins Freie. Beide beobachtend, trabte ich einige Schritte seitlich neben ihnen. Nach etwa 200 Metern, wir hatten bisher kaum ein Wort miteinander gesprochen, eröffnete mir der Tierpfleger, ich sollte die Leine übernehmen und den Spaziergang alleine fortsetzen, er hätte das Gefühl, dass es mit uns beiden klappen könnte.

BabouIch muss gestehen, ich war ziemlich verdutzt. Zu meinem Erstaunen kamen wir beide sofort klar, es dauerte allerdings fast 14 Tage bis Babou mich ein erstes Mal so richtig anschaute, heute weiß ich – ein Akita prüft lange.

Im Januar trafen wir uns bei Wind und Wetter jeden Nachmittag zum verabredeten Termin und lernten uns so langsam gegenseitig kennen.

Babou im Schnee

Ich hatte die normale Leine gegen eine Schleppleine ausgetauscht. Babou war nicht sonderlich auf andere Hunde zu sprechen, gegenüber wohlerzogenen Hundedamen allerdings benahm er sich äußerst kavalierhaft. Beim ersten Schneespaziergang erlaubte ich ihm in meiner Unkenntnis allzu oft Eis und Schnee zu schlecken, was prompt am nächsten Tag zu einer Schneegastritis führte. Mitleid mit meinem Weggefährten brachte mich dazu, die Entscheidung ihn mit nach Hause zu nehmen, nicht weiter aufzuschieben.

Bis spät in die Nacht werkelten wir noch an dem von uns vorgesehenen Schlafplatz, um Babou am anderen Tag zu uns zu nehmen. Ich hatte allerdings Herrn B. Akita vergessen zu fragen, ob er denn lieber ein Zimmer mit Dusche oder mit Bad mochte. So war dann auch prompt klar, dass Kollege Babou nach zwei Tagen aus dem von uns so liebevoll hergerichteten Hundeschlafzimmer auszog und fortan den Kellerflur zu seinem Nachtlager erklärte.

Babous Schlafplatz

Er hatte mir also gezeigt, dass Akitas ihre eigenen Entscheidungen treffen, denn prompt hatte er die eigens für ihn so mühsam neu gekachelte Kellerecke verschmäht. Mir war als hätte er mir (wie beim Boxen), einen linken Haken versetzt, ich taumelte ein bisschen, aber wie einer unserer Söhne mir tröstend erklärte, war ich bloß angezählt worden und vom k.o. noch weit entfernt.

Ich musste allerdings einige Zeit kämpfen, um die aufgekommene Unsicherheit wieder los zu werden und um meine innere Ruhe und Souveränität wiederzuerlangen.

Von nun an ging's nur mehr rasend aufwärts. Wir festigten die im Tierheim erlernten Grundkommandos und bauten sie aus. Eine nicht unwichtige Anekdote fällt mir in diesem Zusammenhang ein: der Hund lebte während zwei Jahren im Tierasyl, war bei seinem täglichen Auslauf nur mit Waldgegenden vertraut. Am zweiten Tag nach dem Wechsel zu uns fiel meine Frau einem dreisten Trickdiebstahl zum Opfer. Also packten wir unser neues Familienmitglied mit ins Auto, rannten durch Stadtverkehr, fuhren mit Aufzügen, besuchten Ämter und Büros um die gestohlenen Papiere wieder in Ordnung zu bringen… In unserer Aufregung fiel uns fast nicht auf wie gelassen Babou all dies mitmachte. Er benahm sich vorbildhaft.

Babou im WaldInnerhalb von zwei Wochen hatte sich Kollege Babou eingelebt und fühlte sich pudelwohl in seiner neuen Umgebung, wenn dies bei Akitas so gesagt werden darf. Regelmässige Waldspaziergänge an der Schleppleine gehören weiter zu seinem Auslaufprogramm, schliesslich scheint mir dies die natürlichste Umgebung für ein Hobbywölfchen zu sein.

Behutsam führte ich ihn an die Hunde in unserem Viertel heran. Seine ihm akitaeigene Dominanz versucht er zwar gelegentlich zu zeigen, aber im allgemeinen verträgt er sich blendend mit seinen Artgenossen; solche, die ihm nicht sympathisch erscheinen, ignoriert er einfach. Also in Punkto Sozialisation hat sich nach dem Aufenthalt im Tierheim so manches getan. Er ist auf dem besten Weg der Liebling unserer Nachbarschaft zu werden.

Zuhause erfüllt er alle Vorgaben seiner Rassebeschreibung, sehr sehr ruhig und unauffällig. Er genießt es mir Gesellschaft beim Basteln im Keller zu leisten.

Babou im Bastelkeller

Katzen mag er immer noch nicht, unsere beiden Stubentiger, die schon lange vor ihm bei uns Wohnrecht genossen, kennt er, allerdings haben beide Tierarten sozusagen getrennte Appartements.

Das Gassigehen ist Aufgabe meiner Frau, ich begleite King Babou bei den täglichen, längeren Wanderungen. Immer wenn er unterwegs eine Bank erblickt, gilt sie schon von weitem als besetzt (Ich präzisiere „Parkbank“, sonst würden wir uns ja strafbar machen) .

Babou mit Herrchen Babou mit Frauchen

Erklärend muss hier gesagt werden, dass ich ihm anfangs bei jeder Bank aus einer Wasserflasche zu trinken gab – Parkbänke sind also gleichzusetzen mit Wasserstelle. Pawlow lässt grüßen.

Wesensänderung oder WIE oder WAS?

Hier nochmal rückblickend die Beschreibung Babous vom Tierasyl:

Babou ist ein heller rotweißer AkitaRüde, geboren Dezember 2005. Er hat eine Schulterhöhe von 60 cm und ist ca. 42 kg schwer. Babou lebt schon seit 2 Jahren im Tierheim. Er wurde abgegeben, weil er einen kleinen Hund totgebissen hat. Babou sah wohl diesen kleinen Hund als Beute an.

Babou hatte überhaupt keine Erziehung. Im Tierheim hat er inzwischen die Grundkommandos gelernt. Er horcht auf Sitz und Fuß. Mit Bleib hat er noch etwas Schwierigkeiten. Menschen gegenüber ist er lieb und anhänglich.

Babou verträgt sich nur mit anderen Hunden, wenn diese ihn nicht anbellen. Sein Jagdtrieb ist sehr ausgeprägt.

Babou ist auf fast alles allergisch und wird zurzeit desensibilisiert per Immunisierungsimpfstoffs. Er hat fast keine Anzeichen mehr von

seiner Allergie. Sein Fell ist wieder makellos. Seine Nase, die ewig verkrustet war, ist wieder heile. Er muss nur ständig Spezialfutter bekommen. Tierärzte kann er überhaupt nicht leiden. Man muss ihn mit Spritzen und Ähnlichem überraschen, sonst hält er nicht still.

Wir suchen für Babou ein akita-erfahrenes Zuhause mit Geduld und Zeit, am liebsten als Einzelhund (als Allergiker bekommt er Spezialfutter, als Zweithund könnte die Fütterung problematisch werden). Kinder im gleichen Haushalt sollten auf jeden Fall schon älter sein.

Babou mit HundefreundinJetzt, da das Wölfchen schon fast viereinhalb Monate zur Familie gehört, möchte ich eine Zwischenbilanz ziehen:

Babou ist noch immer ein heller rotweißer Akita, welcher, wie es mir scheint, die Eigenschaften eines Chamäleons besitzt, denn wie auf verschiedenen Fotos ersichtlich, erscheint er auch mal dunkler. Gewachsen ist er nicht mehr, aber durch den Umzug hatte er drei Kilo verloren. Bisher haben wir es geschafft kleine Hunde von seiner Speisekarte zu verbannen.

Babou setzt sich ohne Aufforderung bei der Futtergabe hin und wartet geduldig bis seine Schüssel auf dem Boden steht. Wollte er anfangs bei Wegegabelungen an der Schleppleine seinen eigenen Weg gehen, so wartet er jetzt fragend ab wohin es gehen soll, oft genügt schon ein Ruf, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, und dann schlägt er den Weg ein, den ich ihm mit weit ausgestrecktem Arm anzeige. Bei stark befahrenen Landstraßen trabt er fast schon von alleine links bei Fuß.

Babou ignoriert, fast schon mit einem gewissen Grad an Überheblichkeit, Hunde, die ihn anbellen. Sein Jagdtrieb ist immer noch ausgeprägt – das abendliche Gassigehen mit Frauchen (beide gehen abends immer den gleichen Weg) wird für Frauchen fast jedes mal zur Fitnessübung – ein paar Frösche in Nachbarsteich und ein wegelagernder Igel lösen beim Vorbeigehen ein fürchterliches Gezerre an der Leine aus.

Babou hat bisher gut auf die Desensibilisierung reagiert und wir halten uns streng an seinen Futterplan.

Erste Kurzferien

Babou mit Hundefreundin

Freunde von uns haben eine Hündin, mit der sich Babou sehr gut versteht. Wir machten also ein paar Tage Kurzferien zusammen in den französischen Alpen. Da Babou schon zuhause liebend gerne im Auto mitgenommen wird, hatten wir den Mut die 600 km lange Strecke mit ihm anzutreten.

Babou auf Reisen

Babou ergatterte sich bei diesem Experiment in allen Belangen die Goldmedaille für gutes Benehmen. Mit einer klitzekleinen Ausnahme. Wir waren beim Picknick und ich hatte das Wölfchen mit der Schleppleine an die Picknickbank angeleint. Während ich die Brote zubereitete, hatte sich am Nebentisch, von uns allen unbe-merkt, eine Familie mit zwei Kindern installiert.

„Est-ce que vous pouvez rappeler votre chien“ (Können Sie bitte Ihren Hund zurückrufen) klang es zaghaft vom Nebentisch. Der Vater hatte schützend die Biergläser hochgehoben, die Mutter hielt krampfhaft die Hände über die Baguettes und die Kinder waren unter die Bank gekrochen. Inmitten dieser Familienidylle thronte King Babou oben auf dem Tisch. Ich hatte die Leine wohl ein bisschen zu lang gelassen.

Babou in den Bergen

Babou genoss mit uns die herrliche Berglandschaft, durchwatete allerdings nur ungern kleine Wasserläufe und er züchtigte sogar die Hündin unserer Freunde, hatte doch die Hundedame ohne King Babou um Erlaubnis zu fragen, ein ausgiebiges Bad in einem Bergsee genommen.

Freudentanz mit FrauchenDie mit dem Wolf tanzt

Dass Babou sich in unserer aller Herzen eingeschlichen hat, muss wohl nicht extra betont werden. Meine Frau und Babou sind inzwischen so ineinander vernarrt, dass beide gelegentlich sogar Freudentänze aufführen. Aber im Ernst: Schleppleinenhandhabung ist gar nicht so einfach.

Babou ruht

Als unerfahrener Hunde- beziehungsweise Akitahalter hat mir Babou in diesen paar Monaten schon vieles beigebracht. Allerdings wage ich zu behaupten, dass mir Radfahren – ein weiteres Hobby von mir – viel zum Hundeverständnis beigetragen hat.

Ja klar.

  • Fahrräder und Akitas muss man behutsam lenken, allzu heftiges Rucken am Lenker kann schon mal zum Fall führen
  • Fahrräder und Akitas muss man gelegentlich bremsen
  • es kann auch vorkommen, dass man sie schieben muss
  • bloß bei Fahrrädern muss man treten
  • bei Akitas sollte man dies in jedem Fall vermeiden

Also hoffe weiter auf eine frohe und unfallfreie Fahrt mit Babou.

…immer Akita

Carlo Lanners, im Juni 2012

Buch: Auf den Hund gekommen!wieder erhältlich in erweiter Auflage
Carlo Lanners
Auf den Hund gekommen
Babou ein toller second hand Akita
Geschichten über einen Akita in Not Hund,
212 Seiten,
BoD Verlag, 2. Auflage März 2017,
20,00 Euro
ISBN 978-3-7431-4939-7
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